Update: Montag, 24. Januar 2022, 20.58 Uhr
Der Täter verletzte vier Menschen teils schwer und erschoss sich dann selbst. Mittlerweile ist ein Opfer verstorben. Große Anteilnahme im Land, Kretschmann und Scholz sind tief betroffen.
Bei einem Amoklauf in einem Hörsaal der Universität Heidelberg hat ein junger Mann eine Frau erschossen und drei Menschen verletzt. Der 18 Jahre alte Deutsche sei am Montagmittag mit einem Gewehr in einen Hörsaal mit etwa 30 Menschen gestürmt und habe um sich geschossen, teilte die Polizei mit. Der mutmaßliche Täter habe bei der Tat zwei Langwaffen dabeigehabt, darunter eine Schrotflinte, sagte Siegfried Kollmar, Polizeipräsident des Präsidiums Mannheim, bei einer Pressekonferenz am Abend in Mannheim. Das Geschehene sei „an Tragik nicht mehr zu überbieten“.
Eine 23 Jahre alte Frau erlag nur wenige Stunden nach der Tat ihren schweren Verletzungen. Der 18-Jährige nahm sich nach Polizeiangaben selbst das Leben. Die Ermittler machten zunächst keine Angaben zu einem möglichen Motiv. Dafür sei es noch zu früh, sagte Andreas Herrgen, Leiter der Staatsanwaltschaft Heidelberg.
Nach früheren Angaben aus Sicherheitskreisen soll der Mann keine politischen oder religiösen Motive gehabt haben. Man gehe eher von einer Beziehungstat oder psychischen Problemen aus, hieß es.
Kurz vor dem Amoklauf in Heidelberg soll der Schütze seine Tat angekündigt haben. Nach Angaben der Polizei schickte er unmittelbar zuvor eine Whatsapp-Nachricht an seinen Vater. Er habe geschrieben, „dass Leute jetzt bestraft werden müssen“, sagte Siegfried Kollmar, Präsident des Polizeipräsidiums Mannheim, bei einer Pressekonferenz am Montagabend in Mannheim. In der Nachricht habe er sich außerdem eine Seebestattung gewünscht.
„Auch das werden wir noch verifizieren müssen, auch das werden wir noch nachvollziehen müssen“, betonte Kollmar. „Wir werden sein Umfeld jetzt durchleuchten in den nächsten Tagen, mit Hochdruck.“ Die Ermittler wollen alle seine Aufenthaltsorte und Gesprächspartner der vergangenen Tage überprüfen.
Die Waffen habe sich der junge Mann, der in Mannheim gewohnt habe, nach bisherigen Erkenntnissen im Ausland besorgt. Weder er noch seine Angehörigen hätten Waffen besitzen dürfen. Der 18-Jährige sei nicht vorbestraft, sagte Herrgen. Die Tatwaffe soll eine Schrotflinte gewesen sein. Der Mann hatte noch mehr als 100 Schuss Munition dabei. Warum er mit dem Schießen aufgehört habe, wisse man noch nicht, sagte der Mannheimer Polizeipräsident Siegfried Kollmar. Das sei spekulativ, es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass eine bestimmte Person getroffen werden sollte. Der 18-Jährige hätte noch nachladen können.
Weil bei der Leiche des jungen Mannes ein Rucksack mit unbekanntem Inhalt gewesen sei, habe die Polizei lange nicht zu dem Toten gekonnt. Es hätte sich um Sprengstoff handeln können, erklärte Kollmar. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg habe daher auch Entschärfer geschickt, die den Rucksack untersuchten.
Nach dem Amoklauf an der Universität in Heidelberg hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Opfern sein Beileid ausgedrückt. „Die Nachrichten aus Heidelberg machen mich zutiefst betroffen. Meine Gedanken sind bei den Familien und ihren Angehörigen. Wir sind an Ihrer Seite“, teilte der Grünen-Politiker mit. Er hoffe inständig, dass die Verletzten wieder gesund würden. Er dankte Einsatz- und Rettungskräften für ihre Arbeit. „Unsere Polizei ermittelt unter Hochdruck und tut alles dafür, um die Hintergründe der Tat schnell aufzuklären.“
Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich bestürzt. „Es zerreißt mir das Herz, solch eine Nachricht zu erfahren“, sagte er nach der Bund-Länder-Runde zum künftigen Corona-Kurs am Montagabend in Berlin. „Mein Beileid ist bei den Angehörigen und den Opfern und natürlich bei den Studentinnen und Studenten der Universität Heidelberg.“
Als der Täter kurz vor 12.30 Uhr in den Hörsaal kam, habe er einen hellen Rucksack mit sich getragen, in dem sich weitere Waffen und Munition befunden hätten. Nach der Tat sei der Mann aus dem Uni-Gebäude nach draußen geflohen und habe sich selbst getötet, bestätigte ein Polizeisprecher. Nach ersten Erkenntnissen soll er keine politischen oder religiösen Motive gehabt haben. Man gehe eher von einer Beziehungstat oder psychischen Problemen aus, hieß es in den Sicherheitskreisen. Zur Identität der Verletzten und des Täters machte die Polizei zunächst keine Angaben. Unklar blieb vorerst auch, woher der Mann die Waffen hatte.
Schon kurz nach den Schüssen am Mittag hatte die Polizei erklärt: „Wir gehen nicht von weiteren Tätern aus.“ Zur Sicherheit werde das Gelände aber weiter abgesucht. Ein Spezialeinsatzkommando habe auf dem labyrinthartigen Gelände nach einem möglichen zweiten Täter gesucht. Gegen 15.15 Uhr dann die Entwarnung: Der Mann sei ein Einzeltäter gewesen. „Derzeit ist keine Gefahrenlage mehr gegeben.“
Der Campus Neuenheimer Feld war am Nachmittag weiträumig abgesperrt. Die Polizei forderte Autofahrer auf, das Gelände zu umfahren, damit Rettungskräfte freie Fahrt haben. Die Polizei richtete eine Hotline für Angehörige ein. Am Gelände der Universität standen Dutzende Polizei- und Krankenwagen. Experten untersuchten den Rucksack, auch ein Gewehr war auf Bildern zu sehen. Vor den Absperrungen standen junge Leute beisammen.
Ein Bürgertelefon für Angehörige ist eingerichtet: Telefon 0621/1745055.
Studierende zeigten sich fassungslos. „Wir sind unendlich schockiert. Das ist eine Katastrophe, die sich allem Denkbaren zwischen Vorlesungen, Klausuren und Unileben entzieht“, sagte Peter Abelmann, Vorsitzender der Verfassten Studierendenschaft.
Die Nachricht über den Amoklauf habe sich unter den Studierenden wie ein Lauffeuer verbreitet, sagte Abelmann. Einige hätten über Messenger-Dienste direkt über die Tat berichtet. Die Studierendenschaft sei in Gedanken bei den Betroffenen.
Die Heidelberger Universität bereitet eine Trauerfeier nach dem Amoklauf in einem Hörsaal vor. Genaue Pläne dazu konnte Rektor Bernhard Eitel am Montagabend noch nicht nennen. Die Hochschule überlege zudem, wie die Tat intern aufgearbeitet werden kann. Sie solle auf jeden Fall thematisiert werden. Beeindruckt zeigte sich Eitel sowohl von der schnellen Reaktion innerhalb der Universität als auch davon, wie rasch die Polizei nach Eingang des Alarms an der Einrichtung war. Das sei sehr gut gelaufen.
Den ganzen Tag erreichten ihn Bekundungen von Wissenschaftlern aus ganz Europa, die das Geschehen in Heidelberg verfolgten und Hilfe anböten. Gefühlt handle es sich auch um einen Angriff auf die Offenheit der Hochschulen und die akademische Tradition, so Eitel.
Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner hat nach dem Amoklauf in Heidelberg den Opfern und Angehörigen sein Mitgefühl ausgesprochen. „Wir waren nicht nur fassungslos, wir könnten es eigentlich gar nicht glauben, dass so etwas bei uns in Heidelberg passiert“, sagte der parteilose Politiker. Würzner zeigte sich erleichtert, dass der Tatverdächtige schnell identifiziert werden konnte.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte: „Für die Verletzten und die Beteiligten, auch die im Tutorium dabei waren, hoffe ich auf baldige Genesung an Leib und Seele.“ Es sei eine „entsetzlich belastende Situation“. Er fügte hinzu: „Die Wissenschaft weltweit, wir alle hier in Baden-Württemberg und darüber hinaus sind in Gedanken bei den Opfern und denen, die das Geschehene heute miterleben, verarbeiten und bewältigen mussten und müssen.“
Die Einsatzkräfte seien schnell am Tatort gewesen und hätten die zunächst unübersichtliche Lage mit der Uni-Leitung zusammen schnell klären können. „Nun ist die Zeit der Ermittler, denn für uns alle ist es wichtig, die Hintergründe für die schreckliche Tat so schnell als möglich aufzuklären.“
Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) war am Nachmittag auf dem Weg zum Tatort. Sie habe sich zunächst mit Uni-Rektor Bernhard Eitel getroffen und wolle sich nun selbst ein Bild machen, teilte eine Sprecherin des Ministeriums mit. Sie zeigte sich erschüttert: „Ich bin entsetzt. Es lässt einen sprachlos zurück, wenn unschuldige junge Menschen im Hochschulbetrieb so etwas erleben müssen. Ich bin in Gedanken bei denen, die verletzt wurden und betroffen sind. Ich wünsche mir sehr, dass bald Genesung eintritt.“
Der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh hat sich erschüttert über das Attentat in einem Hörsaal der Heidelberger Universität gezeigt. „Ich bin entsetzt über dieses Attentat. Wie kommt ein Mensch dazu, solch eine Tat zu begehen?“, erklärte der Landesbischof. Die Peterskirche (Plöck 70) als Universitätskirche in Heidelberg ist am heutigen Montag bis 22 Uhr geöffnet, Seelsorgerinnen und Seelsorger sind vor Ort. „Ich trauere um die junge Frau, die getötet wurde, und ihre verzweifelten Angehörigen. Ich bete für die Verletzten und die Angehörigen, die sich um sie sorgen. Ich denke an die Studierenden, die erleiden müssen, wie verletzlich das Leben ist“, sagte Cornelius-Bundschuh. Die geöffnete Peterskirche lade Menschen dazu ein, „Ruhe zu finden und neue Kraft zu schöpfen“. Pfarrerinnen und Pfarrer seien ansprechbar, „um Menschen in ihrer Angst, Trauer und Wut beizustehen.“
Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger hat sich nach Angaben der Diözese „schockiert“ vom Amoklauf an der Heidelberger Universität gezeigt. „Fassungslos blicken wir in der ganzen Erzdiözese Freiburg nach Heidelberg. Ich bin entsetzt und zutiefst bestürzt über den Angriff, der sich dort heute Nachmittag in einem Hörsaal der Universität ereignet hat“, sagte Burger am Montag einer Mitteilung zufolge. Er sei im Gebet bei den Opfern und ihren Angehörigen und danke den Rettungskräften für ihren Einsatz. Die Stadt Heidelberg liegt im Erzbistum Freiburg.
„Die Tat muss jetzt schnell aufgeklärt werden“, forderte Burger. „Gewalt und Blutvergießen können niemals ein Weg sein, für was auch immer.“ Eine Seelsorgerin sei gerufen worden, um Studierende – insbesondere die Verletzten – zu betreuen.
Die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner (Grüne) nahm Stellung zum Amoklauf: „Mit Schock habe ich heute von den Schüssen im Neuenheimer Feld in Heidelberg erfahren“, schreibt sie in einer Presseerklärung. Sie hoffe auf eine vollständige Aufklärung der Tat. „Ich möchte mich bei den Einsatz- und Rettungskräften für ihre Arbeit bedanken.“ Allen Betroffenen sprach sie ihre Anteilnahme aus.
Hinweis der Redaktion: Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800/1110111 und 0800/1110222 sowie 116123. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter http://www.telefonseelsorge.de.
Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: https://www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote/adressen/